Silvia Czerwinski<p><strong>Warum steckt so viel Potential in der offenen Lehre für die Quantenphysik?</strong></p><p>Die Welt, in der wir leben, ist nicht selten kompliziert: Ist Licht am besten beschrieben als Welle oder als Teilchen? Wie können die komplexen Antworten darauf für alle zugänglich und ansprechend vermittelt, diskutiert und verstanden werden? Zunächst mögen diese zwei Fragen wenig miteinander zu tun haben. Doch in diesem Blogbeitrag möchten wir zeigen, dass offene Bildungsressourcen (auch Open Educational Resources oder kurz OER genannt) und Quantenmechanik nicht nur zusammenpassen, sondern in der heutigen Welt untrennbar verbunden sind.</p><p>Während die Quantenmechanik ihr 100-jähriges Bestehen feiert, sind OER deutlich jünger. Erst <span class="">prägte die </span><a class="" href="https://www.unesco.de/themen/bildung/bildungsqualitaet/weltbildungsempfehlung/global-citizenship-education/friedens-und-menschen/open-educational-resources/" rel="nofollow noopener" target="_blank">UNESCO</a> den Begriff „Open Educational Resources“. Darunter werden alle digitalen sowie analogen Bildungsmaterialien verstanden, die unter einer offenen Lizenz veröffentlicht wurden und damit kostenfrei und rechtskonform von Dritten bearbeitet, verbreitet und weitergenutzt werden können. Dazu hat sich im Bildungsbereich die offene Lizensierung mit <a class="" href="https://de.creativecommons.net/was-ist-cc/" rel="nofollow noopener" target="_blank">Creative Commons Lizenzen</a> als Standard durchgesetzt. Insbesondere für die Nachnutzung ist der Ort wichtig, an dem diese Lehrmaterialien einfach und leicht auffindbar abgelegt werden können: Wie z.B. im <a class="" href="https://www.twillo.de/" rel="nofollow noopener" target="_blank">Portal twillo</a> für die Hochschullehre, welches vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert und von der TIB gemeinsam mit der Universität Osnabrück, dem Elan e.V. und dem HIS-HE betrieben und weiterentwickelt wird.</p><p><strong>Von geschlossenen Anfängen…</strong></p><p>Im Kontrast zu Offenheit von OER war die Physik und Ihre Lehre am Anfang des 20. Jahrhunderts sichtlich geschlossener: Einerseits war die Geschlossenheit der wissenschaftlichen Community Resultat struktureller Diskriminierung. Viele Wissenschaftler*Innen und gerade Physiker*Innen hatten es schwer gebührend anerkannt zu werden. Wie der vorangegangene Blogbeitrag von Esther Tobschall <a class="" href="https://blog.tib.eu/2025/07/18/quantenphysik-domaene-der-maenner/" rel="nofollow noopener" target="_blank">Quantenphysik: Domäne der Männer?</a> eindrucksvoll verdeutlicht, halten diese strukturellen Diskriminierungen und Ausgrenzungen bis heute an. Geradezu symptomatisch ist, dass sich lediglich vier Physikerinnen unter den Nobelpreistragenden befinden. Umso wichtiger ist es herauszustellen, dass es, wie die <a class="" href="https://www.dpg-physik.de/vereinigungen/fachuebergreifend/ak/akc/publikationen/quantenphysikerinnen-von-den-anfaengen-bis-heute" rel="nofollow noopener" target="_blank">Arbeitsgruppe Chancengleichheit der Deutschen Physikalischen Gesellschaft</a> sichtbar macht, bedeutende Quantenphysikerinnen durchaus gab und gibt.</p><p>Andererseits war die Geschlossenheit der Community der Quantenphysiker*Innen zu einem großen Teil der Zeit geschuldet. Obwohl das Internet noch nicht erfunden war, fand ein reger, aber sehr begrenzter Austausch zwischen Physiker*Innen statt. Der Briefverkehr zwischen ihnen ist teils bis heute erhalten (und teils online verfügbar): So schreiben sich <a class="" href="https://literaturkritik.de/id/8200" rel="nofollow noopener" target="_blank">Albert Einstein und Max Born zwischen 1916 und 1955 einige Briefe</a>. Darunter auch ein Brief, in dem Einstein Born unterstellt, er glaube „an den würfelnden Gott“ im Streit um quantenmechanische Prinzipien, die je nach Auslegung als unvollständig angesehen werden könnten. Daraus entstand später der berühmt verkürzte Satz „Gott würfelt nicht“, welcher sich auch in Bildungsmaterialien (z.B. zur <a class="" href="https://av.tib.eu/media/50682" rel="nofollow noopener" target="_blank">Quantenkryptographie</a>) wiederfindet. Weiterhin zeigen auch <a class="" href="https://www.heisenberg-gesellschaft.de/aktuelles/heisenbergs-briefe-an-pauli-ua-1921-1958" rel="nofollow noopener" target="_blank">Werner Heisenbergs Briefe an Wolfgang Pauli</a>, wie sie sich zu verschiedensten Ansätzen und Implikationen der ab 1921 entstehenden Quantenphysik austauschten. Die wissenschaftliche Kommunikation dieser Zeit fand also auf persönlicher und somit nicht öffentlicher Ebene statt, wodurch einerseits aktuelle Gedanken, Thesen und Argumente nicht von allen nachvollzogen werden konnten. Andererseits waren diese Diskussion auf wenige, bereits in ihrem Fachbereich etablierte Personen begrenzt.</p><p><strong>…über Lichtblicke…</strong></p><p></p><p>In solchen Briefwechseln sticht aber gerade ein Brief exemplarisch hervor: <a class="" href="https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-16241-2_23" rel="nofollow noopener" target="_blank">1933 dankt Grete Hermann Paul Dirac</a> für ihr durch dessen Lehrbuch über die Prinzipien der Quantenmechanik gewonnenes „Verständnis für die Geschlossenheit und Schönheit dieser Theorie“. Diese Korrespondenz zeigt, welche Wichtigkeit die Verfügbarkeit von Lehrbüchern im Besonderen für Wissenschaftlerinnen gespielt haben könnte. Auch Richard Feynman erkannte um 1950, dass methodologisch und didaktisch gut aufbereitete Lehre gerade im Angesicht der Komplexität der (Quanten-)Physik wichtig ist. So entwickelte und nutzte er eine Methode mit vier iterativ wiederholbaren Schritten, die helfen kann Lernprozesse zu strukturieren und Wissenslücken zu identifizieren. Passenderweise findet sich diese Feynman-Methode auch heute in OER, z.B. als <a class="" href="https://www.zoerr.de/edu-sharing/components/render/a120ab3a-a9e0-457b-a0ab-3aa9e0b57b27" rel="nofollow noopener" target="_blank">Lerntechnik</a>.</p><p><strong>…hin zu einer wirklich offenen Zukunft!</strong></p><p>Heute bergen OER immense Potentiale für die Physik und die Quantenmechanik: Offen lizensierte Bildungsmaterialien erlauben eine breitere Verfügbarmachung der Grundlagen für <em>alle </em>Interessierten, sodass damit auch weiterhin bestehende strukturelle Ungerechtigkeiten abgebaut oder zumindest abgedämpft werden können. Weiterhin sind gerade öffentlich zugängliche und gleichzeitig qualitative hochwertige Lehrmaterialien im Themenbereich der Quantenphysik wichtig, da deren Begrifflichkeiten heute nicht selten <span class="">pseudowissenschaftlich (aus)genutzt</span> werden.</p><p><span class="">Es gibt bereits</span> zahlreiche OER, die im Themenbereich der Quantenphysik angesiedelt sind, von denen wir aus Platzgründen nur einige, wenige nennen können. So zum Beispiel:</p><ul><li>Ein <a class="" href="https://www.twillo.de/edu-sharing/components/render/e0880e3c-bb3f-4fbd-9b6b-8f6e76657d38" rel="nofollow noopener" target="_blank">umfangreiches Vorlesungsskript zur Atomphysik</a>, in dem quantenphysikalische Prinzipien und wichtige mathematische Formalismen, wie die Dirac’sche Deltafunktion, die Heisenberg’sche Unschärferelation oder das Pauli-Prinzip behandelt werden.</li><li>Ein einsteigerfreundlicher <a class="" href="https://moodle.ruhr-uni-bochum.de/course/view.php?id=50521" rel="nofollow noopener" target="_blank">Moodle-Kurs</a>, mit vielen Quizzes, der die Chancen der Selbstüberprüfung und des eigenständigen Lernens unterstreicht.</li><li>Oder Simulationen, die Quantenmechanik anschaulich machen, wie z.B. über <a class="" href="https://phet.colorado.edu/en/simulations/quantum-measurement" rel="nofollow noopener" target="_blank">das seltsame</a> Verhalten quantenmechanischer Teilchen oder über den <a class="" href="https://phet.colorado.edu/en/simulations/quantum-measurement" rel="nofollow noopener" target="_blank">Photoelektrischen Effekt</a>, der als das Experiment gilt, dass die Notwendigkeit einer neuen Physik aufgezeigt hat.</li><li>Der Gedanke der offenen Bildung kann aber auch darüber hinaus die Lehre der Physik bereichern: So gibt es auch OER zum Einsatz von digitalen Bildungsmaterialien in der <a class="" href="https://redaktion.openeduhub.net/edu-sharing/components/render/92657bc8-afa3-45a7-b493-d00e0a142d23" rel="nofollow noopener" target="_blank">Physikdidaktik</a>.</li></ul><p>Das größte Potential liegt wohl in der Zukunft: Darin, Hochschullehrende in der Physik und gerade in der Quantenphysik dafür zu begeistern, ihre Lehre offen zu lizensieren und auf OER-Portalen wie <a class="" href="http://www.twillo.de/" rel="nofollow noopener" target="_blank">twillo</a> für andere Lehrende zur Nachnutzung, für Studierende zur Lernunterstützung und für Interessierte zum Stöbern verfügbar zu machen. Unser Wunsch dabei ist, dass die Quantenphysik von OER profitieren kann, wie die OER bereits von der Quantenmechanik profitiert <span class="">haben</span>. Denn ohne die Quantenmechanik gäbe es digitale und damit leicht teilbare Formen von Bildungsmaterialien nicht. Erst die Idee der Quantelung (d.h. das Energie nur bestimmte diskrete Werte annehmen kann) und das Pauli-Auschlussprinzip (d.h. das Elektronen nur bestimmte Energieniveaus besetzten können) haben Halbleiter und damit unsere gesamte IT-Infrastruktur möglich gemacht.</p> <p><strong>Kontakt</strong></p><p>Wenn Sie selbst Lehrmaterialien haben, die Sie als OER auf <a class="" href="https://www.twillo.de" rel="nofollow noopener" target="_blank">twillo</a> veröffentlichen möchten, wenden Sie sich gerne an uns: <strong>info@twillo.de</strong>. </p> <p> </p><p><a rel="nofollow noopener" class="hashtag u-tag u-category" href="https://blog.tib.eu/tag/lizenz-cc-by-4-int/" target="_blank">#LizenzCCBY40INT</a> <a rel="nofollow noopener" class="hashtag u-tag u-category" href="https://blog.tib.eu/tag/oer/" target="_blank">#OER</a> <a rel="nofollow noopener" class="hashtag u-tag u-category" href="https://blog.tib.eu/tag/twillo/" target="_blank">#twillo</a> <a rel="nofollow noopener" class="hashtag u-tag u-category" href="https://blog.tib.eu/tag/quantenphysik/" target="_blank">#Quantenphysik</a> <a rel="nofollow noopener" class="hashtag u-tag u-category" href="https://blog.tib.eu/tag/quantenjahr2025/" target="_blank">#Quantenjahr2025</a></p>